Am vorletzten Schultag vor den Weihnachtsferien findet an unserer Schule das traditionelle Fußballturnier der Unterstufe statt. Ich betrete die 4. Klasse, wo meine Englischgruppe schon ungeduldig auf mich wartet, damit ich sie in die Turnsäle führe. Vor allem die aktiven Spieler freuen sich auf ihr erstes Match, das in 30 Minuten losgeht. Nur Max* wirkt völlig aufgelöst und jammert verzweifelt in sein Handy. Er hat seine Hallenschuhe daheim vergessen, ohne die er nicht mitspielen darf, und nun soll sie ihm seine Mama noch schnell in die Schule bringen. Doch die hat keine Zeit, sie muss ja arbeiten! Ich frage ihn nach seiner Wohnadresse, doch die Entfernung ist zu weit, das schaffe ich in der verbliebenen Zeit nicht einmal mit dem Auto, noch dazu bei diesem Stadtverkehr.
Was tun? Er hat schon mehrere Paar Turnschuhe aus unserer Fundkiste anprobiert, die sind alle zu groß, er braucht Schuhgröße 39. Ein Blick in die Runde seiner ratlosen Kameraden: Wer kennt jemanden mit dieser Schuhgröße? Da meldet sich Kemal*‚ er hat ein Paar nagelneuer, hochmoderner Hallenschuhe dieser Größe in seinem Sportbeutel. An seinen Füßen stecken alte, schmutzige Sportschuhe, mit denen man zur Not auch Fußball spielen kann.
Hoffnung flackert in Max‘ Augen auf, könnte er nicht…? Da streckt ihm Kemal seine neuen, schicken Schuhe entgegen und meint, er, Kemal, wolle gern in seinen alten spielen. Max greift rasch zu und bestätigt glücklich, dass sie perfekt passen. Erleichtert bedankt er sich bei Kemal. Zu dem drehe ich mich nun um – und was sehe ich? Kemal sitzt auf einem Sessel, vor ihm am Boden knien zwei seiner Mitschüler und polieren ihm mit dem Tafelschwamm so lange die alten, schmutzigen Latschen, bis sie schlussendlich blütenweiß und wie neu glänzen. Kemal grinst verlegen, und ich empfinde ein Vorgefühl von Weihnachten.
Mag. Gudrun Pennitz
* Name geändert